Václavice-Bogatynia, 2021
Turów: dreißig Meter unter dem Meeresspiegel
Der Lignittagebau, der minderwertigsten Braunkohle, hat im Zittauer Becken eine lange Tradition. Davon zeugen die gefluteten Gruben auf tschechischer und deutscher Seite, die heute bei Touristen beliebt sind. In den 70er Jahren entstand so ein Erholungsgebiet um den Kristýna See bei Hrádek nad Nisou. In Deutschland wurden im zweiten Jahrtausend die beliebten “künstlichen” Seen Olbersdorfer See bei Zittau und Berzdorfer See bei Görlitz angelegt. Sie alle befinden sich an Orten, an denen vor zweihundert Jahren mit dem Lignitabbau begonnen wurde.
Bereits im neunzehnten Jahrhundert bauten die Gutsbesitzer direkt an der Stelle der heutigen Grube Turów ab. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde in Hirschfelde (auf der deutschen Seite) ein Kraftwerk eröffnet. Im Zuge der Nachkriegsregelung fiel das Gebiet Polen zu. Der Abbau in Böhmen und Deutschland wurde nach und nach eingestellt, und das Gebiet wird heute für Erholungszwecke genutzt. Die polnische Seite beschloss jedoch, ihren “neuen” Landausläufer abzubauen. Der erste Block des heutigen Kraftwerkskomplexes Turów wurde 1962 in Betrieb genommen. Während seines Ausbaus verschlang er mehr als ein Dutzend Dörfer. Das kulturell bedeutende Rybarzowice (Reibersdorf) wurde samt Schloss und Kirche ausgelöscht. Die Ausdehnung des Tagebaus wird wahrscheinlich nur durch die Grenze mit der Tschechischen Republik gestoppt. Seine derzeitige Fläche entspricht in etwa der Größe der Stadt Liberec (100.000 Einwohner). Seine Tiefe übersteigt kaum vorstellbare dreihundert Meter. Würde man den Eiffelturm in die Grube stellen, würde nicht mal seine Spitze aus der Grube herausragen. Sein Grund liegt bereits dreißig Meter unter dem Meeresspiegel.